B!O – philosophische Berufungs!Orientierung in der 8a der Mittelschule Ebermannstadt
Als über das Schulamt der Aufruf zur Teilnahme an einer neuen Maßnahme der Berufsorientierung kam, war die Schulleiterin Anette Mohnlein sofort Feuer und Flamme und nahm Kontakt mit mir auf, denn ich bin nicht nur als Koordinatorin für die Beratungslehrkräfte an den Grund- und Mittelschulen in Forchheim zuständig, sondern tatsächlich auch zertifizierte Trainerin der Münchner Akademie für Philosophische Bildung und WerteDialog. Kurzerhand wurde die Schule zum Modellprojekt angemeldet. Im September und Oktober durfte nun die 8a vor ihrem ersten Praktikum bei mir in vier doppelstündigen Workshops erleben, warum die Maßnahme nicht wie sonst Berufsorientierung, sondern Berufungs!Orientierung heißt, was es mit dem Philosophieren auf sich hat und wie man mit Philosophie einen Beruf finden kann.
Neu für die Jugendlichen war gleich die Überschrift des Flyers: „Beruf(ung) finden mit der philosophischen Berufsorientierung“. Die Klassen erwartete nicht wie bisher eine klassische Berufsorientierung mit der Vorstellung von Berufen oder der Durchführung von Eignungstests. Stattdessen geht es in der Berufungs!Orientierung darum, mit den Jugendlichen Zeit und Raum für den gemeinsamen bewertungsfreien Austausch zu schaffen, um herauszufinden, welche Fragen, Gedanken und Motivationen eigentlich bei jeder Person ganz persönlich hinter der Berufswahl stehen. Es geht darum, sich im Austausch mit anderen zu überlegen, wie das zukünftige Leben der und des Einzelnen ausschauen könnte, so dass man es gerne lebt. Wir wollen die Jugendlichen dafür sensibilisieren, dass eine gute Berufswahl vor allem etwas damit zu tun hat, was man gerne tut und wofür man hoch motiviert ist und in das man sich ganz und gar einbringen kann. Es geht auch darum, seine Vorstellungen und Träume vom Leben zu erkennen, sich von anderen inspirieren zu lassen und für seinen persönlichen Weg einzustehen, der durchaus auch Umwege und Neuorientierungen aufweisen kann.
Das funktioniert mit dem Philosophieren über bedeutsame Fragen, wie z. B.: Wie will ich mein Leben gestalten? Welche Rolle nimmt dabei der Beruf ein? Welche anderen Bereiche sollen mein Leben prägen? Wie sind meine Vorstellungen umsetzbar?
In der „Berufungs!Orientierung“ unterstützen wir die Jugendlichen letztendlich dabei, sich mit ihren persönlichen Zielen, Wertvorstellungen und den damit verbundenen Herausforderungen auseinanderzusetzen. Sie lernen im philosophischen Gespräch mit uns und miteinander, vertieft über entscheidende Fragen des Lebens nachzudenken und Denkmuster oder Vorstellungen zu hinterfragen. So ergänzt der philosophische Ansatz die klassischen Maßnahmen der Berufsorientierung um die Werte- und Sinndimension.
In drei Workshops hat sich nun die 8a der Mittelschule Ebermannstadt zunächst mit folgenden Fragen auseinandergesetzt
1: Wie finde ich einen Beruf, der zu mir passt?
2: Wer bin ich und wer möchte ich sein?
3: Wie treffe ich eine Entscheidung?
Als Referentin war es meine Aufgabe, den Jugendlichen in je einer abwechslungsreichen Doppelstunde aus kurzen Impulsen, Gruppen- und Einzelarbeiten sowie moderierten philosophischen Gesprächen Tipps und Methoden zu zeigen, damit die Schülerinnen und Schüler lernen, ihren eigenen Fragen und Gedanken auf den Grund zu gehen und letztendlich eine nachhaltige Berufswahl treffen zu können.
Der letzte Workshop „Menschen und Berufe“ befasste sich mit der Berufspraxis von Menschen, die entweder am Anfang ihres Berufslebens stehen oder schon jahrelange Erfahrung haben, manchmal sogar in mehreren Berufen. Die Jugendlichen stellten den anwesenden Mentorinnen und Mentoren aus der Arbeitswelt gezielt philosophische Fragen, um mit ihnen ins Gespräch über Vorstellungen und Wirklichkeit des Arbeitsalltags in unterschiedlichen Berufsfeldern zu kommen. Am Ende erwies sich sowohl für mich als auch für die meisten Jugendlichen ganz klar, dass mit der Methode des philosophischen Gesprächs genau jene Kompetenzen angebahnt und geschult werden, die Bildung im 21. Jahrhundert braucht: Optimismus im Blick auf die Zukunft; intensiveres Interesse für die Berufswahl durch Wissen um die eigenen Bedürfnisse, Ziele und Werte; Offenheit für neue Ideen, Wege und Denkweisen, aber auch Planungs- und Entscheidungskompetenz sowie die Bereitschaft, von anderen zu lernen; Ausdrucks- und Kommunikationsfähigkeit, wenn es um die eigenen Kompetenzen und Ziele geht, sowie die Reflexion des eigenen Denkens und Handelns im Hinblick auf das Erkennen und Annehmen der Verantwortung für das eigene Leben.
Was sehr abstrakt klingt, haben die Schülerinnen und Schüler der 8a so ausgedrückt:
- „Ich finde es cool, dass wir so etwas machen. Das ist genau, was ich jetzt brauche.“
- „Versteht ihr, was ich meine? Ich frage mich gerade, wieso das so ist und nicht anders.“
- „Ich stell mir das Ergebnis vor, um eine Entscheidung zu treffen. Eigentlich sollte jede Entscheidung eine gute sein, damit es für uns im Leben besser wird.“
- „Ich denke, ich weiß jetzt mehr, worauf es mir ankommen sollte.“
- „Hä? Das verstehe ich nicht. Kannst du mir das nochmals erklären?“ – „Also, ich glaube, sie meinte …“.
Mission accomplished! Oder ganz klassisch mit Sokrates: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“
Gefördert wird dieses Projekt übrigens von der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft e.V., der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit sowie dem Staatsministerium für Wirtschaft, Energie und Landesentwicklung.